Ritterkreuzträger Günter Halm zu Besuch beim militärhistorischen Fahrzeugtreffen in Neukirchen
Dunst zieht über die noch jungen Kornfelder vor mir. Kein morgendlicher Nebel, sondern eine Mischung aus Staub und Dieseldampf…Motorenölgeruch. Hinter mir donnern die dumpfen Motoren. Der Boden vibriert unter dem lauten Stampfen der Kolben und dem zermahlenden Rattern der Panzerketten.
Am Wochenende vor der Sommersonnenwende haben sich Männer, Frauen und Kinder auf dem Gelände des Kieswerkes Neukirchen zusammengefunden, um mit ihrer historischen Militärtechnik an vergangene Zeiten zu erinnern und nicht zu vergessen. Ein ganzes Museum bewegt sich dort. Keine statischen Ausstellungsstücke und diese nur zum Anschauen, sondern Zeitgeschichte zum Erleben, Anfassen und Mitfahren.
Ich schaue gespannt auf den Schlagbaum an der Zufahrt, denn für heute erwarten wir einen ganz besonderen Gast in unseren Reihen. Einen Zeitzeugen der besonderen Art – einen Ritterkreuzträger. Nur wenige Eingeweihte wissen von seinem Erscheinen und umso größer werden die erstaunten Augen als der nur Minuten vorher angekündigte Ritterkreuzträger Günter Halm erscheint. Erscheint ist nicht ganz der richtige Ausdruck! Günter Halm fährt mit seinen 94 Lenzen im Beiwagen einer Kradmeldermaschine mitten unter die Technikfreunde, welche sich im Festzelt versammelt haben. Ein vertrockneter Palmwedel schmückt sein wildes Gefährt und erinnert an seine Einsatzzeit in Afrika, wo ihm als Panzerjäger von Generalfeldmarschall Erwin Rommel das Ritterkreuz verliehen wurde. Erst kurz vor Herrn Halms Ankunft machten Bilder dieser Verleihung noch die Runde, während ein Mitglied der IG Militärtechnikfreunde Sachsen Schilderungen seines Einsatzes aus einem alten Erlebnisheft vorliest. Günter Halm ist wirklich da. Vielen der Anwesenden wird erst jetzt bewusst, welcher Erscheinung sie hier und heute begegnen dürfen. Es herrscht Stille im Zelt als der Ritterkreuzträger das Wort erhebt. Mit klarer Stimme erinnert er an die Werte des Soldatseins. An die Hingabe von Leben und Gesundheit ohne Schonung zur Verteidigung weit höherer Werte – der Familie, dem Land, der Treue. Sichtlich beeindruckt von den getragenen internationalen Uniformen anwesender Zuhörer appelliert er dann auch, sich in der heutigen Zeit mit Stolz und Ehre für die Gemeinschaft einzusetzen. U.a. dafür erhielt er in den Neunzigern auch das Bundesverdienstkreuz.
Zu spontan, zu offen und zu beeindruckend war sein Auftritt für viele in dem engen Zelt. Erst als ich mich dankend an ihn wende findet die Gemeinschaft zurück aus der Zeitgeschichte in die Realität und ich habe alle Hände voll zu tun, Platz zu schaffen, um unserem Gast eine zünftige Portion vom Fleischspieß zu überreichen. Viele der Anwesenden schauen zu mir herüber und warten auf den Moment, in dem ich nun endlich unseren Ehrengast für eine Gesprächs- und Autogrammrunde freigebe. Ein Hauptfeldwebel zückt kurzentschlossen seinen Dienstausweis und bittet um eine Signierung. Mit gestochen scharfer Schrift bekommt er seinen Wunsch in sein Dokument erfüllt. Was wohl sein Kompaniechef dazu sagen würde.
Vor dem Zelt starten schon wieder die Motoren der Rad- und Kettenfahrzeuge. Und Günter Halm, mit 94 Jahren fragt, ob er denn nicht mit dem Halbkettenfahrzeug, einem SD 251 D, mitfahren könnte. Seine Begleitung, wie auch seine Ehefrau, ist sichtlich schockiert über dieses doch recht rüttelnde Vorhaben, zumal sich die Fahrzeuge z.T. in schwerem Gelände bewegen. Diese Rechnung haben sie jedoch nicht mit dem alten Haudegen gemacht! Zielsicher steuert er den Kampfwagen seiner damaligen Einsatzzeit an. Argwöhnisch streift sein Blick einen vorbeidonnernden sowjetischen T34-Panzer aus den alten Tagen, der nun liebevoll restauriert ist.
Ein zwei Meter großer Hauptgefreiter, den alle nur Matze rufen, öffnet die Heckluken des Kettenfahrzeuges. Und tatsächlich – Günther Halm schwingt sich mit behände in das Gefährt. Matze, mit Schweißperlen auf der Stirn und das nicht nur wegen der Hitze, fährt eine Runde nach der anderen. Am Ende haben alle ein Lachen im Gesicht. Der eine wegen der Erinnerung an längst vergangene Tage, die anderen wegen einem großen Stück lebendig gewordener Zeitgeschichte.
Noch spät am Abend kommt der Hauptfeldwebel zu mir und demonstriert mir seine Gänsehaut als er wieder und wieder die Widmung Günter Halms vorliest. Möge es noch viele solcher Einträge geben und uns dieser noch lange in Erinnerung bleiben. Eines jedenfalls kann ich mit Gewissheit sagen: Manche bleiben unvergessen!
Jörn Bindig